Strategisches Marketing ist ein zentraler Teil des strategischen Managements. Es wird oftmals als Augen und Ohren eines Unternehmens bezeichnet, da es im Unternehmen eine Steuerungs- und Lenkungsfunktion besitzt (bzw. besitzen sollte).
Im Gegensatz zum operativen Marketing, das sich eher mit der Umsetzung des Marketing-Mix befasst, geht es bei einer strategischen Marketingstrategie um langfristige und nachhaltige Ergebnisse mit richtungsweisendem Charakter, wie z.B. dem Erreichen eines besonderen Images oder dem Aufbau einer Marke in der Kundenwahrnehmung. So sind auch die Denk-Zeiträume im strategischen Marketing mit drei bis fünf Jahren durchaus länger als im operativen Marketing.
Hierbei fokussiert sich das strategische Marketing vor allem auf folgende Aufgaben:
- Definition des grundsätzlichen strategischen Handlungsrahmens des Unternehmens und seiner Marketinginstrumente
- Umfassende und langfristige Definition der Unternehmens- und Marketing-Ziele unter Einbeziehung von Markt- und Wettbewerbsanalysen
- Gestaltung der Unternehmensorganisation
- Management interner Kommunikation sowie der Umweltbeziehungen (Stakeholder)
- Ressourcenplanung
Strategisches Marketing sollte stets als flexibler Handlungsrahmen verstanden wird, der stets überprüft und an Änderungen der Marktsituation angepasst wird. Es ist hochgradig an der Unternehmensumwelt ausgerichtet und definiert nicht nur den unternehmerischen Ist-Zustand, sondern auch Prognosen über geplante und zu erwartende Entwicklungen der Zukunft. Hierzu folgt es meistens einem Prozess, der entweder ganz oder bei bestimmten Elementen als Schleife durchgeführt wird. Folgende Schritte und Elemente sind in diesem Prozess meistens zu beobachten:
- Situationsanalyse
- Zieldefinition
- Implementierung der Strategie und Durchführung der operativen Maßnahmen
- Erfolgskontrolle der Strategie und Anpassung der Zieldefinitionen
Diese Punkte werden im Folgenden noch etwas detaillierter beschrieben. Nicht verwechseln sollte man strategisches Marketing jedoch mit Marketing-Konzeption (u.a. Becker, J., 2013, Marketing Konzeption, Vahlen Verlag München) die zwar auch Ziele, Strategien und den Marketing-Mix beinhaltet, jedoch eher einen Handlungsplan darstellt. Strategisches Marketing ist weitgefasster, tiefergehend und durch seine globalere Steuerungsfunktion auch unternehmenspolitisch relevanter und bildet eher einen richtungsweisenden Handlungsrahmen, der aus vielen einzelnen Elementen besteht.
1. Situationsanalyse
Basis jeder Strategie ist zunächst einmal die Konzentration auf den Ausgangspunkt, die eigene Lage. Ähnlich wie bei einem Schiff im Nebel muss sich das strategische Marketing Fragen stellen wo es sich befindet, wohin es will, welche Möglichkeiten es hat und wo sich andere Schiffe (Wettbewerber, Marktteilnehmer) befinden.
In Unternehmenssprache übersetzt heißt dies, dass das Unternehmen (insofern es kein ständiges Marketing-Controlling besitzt), relevante Daten erheben. Dies kann durch die Einholung existierender Statistiken geschehen, durch Umfragen oder andere Formen der Analyse (SWOT, Potentialanalyse, Lückenanalyse, etc.).
Hier ist es wichtig, dass die Daten verlässlich sind, das Unternehmen also vor allem auf die Reliabilität und Validität der Daten achtet und auch ihre Interpretation etablierten Standards entsprechen, um Voreingenommenheit und Bauchgefühl-Entscheidungen zu vermeiden.
Ein wünschenswertes Ergebnis ist dann eine Situations-Analyse, die v.a. folgende Elemente beinhaltet:
- Marktanalyse und Wettbewerbskraft:
- Trenderkennung sowie Definition relevanter Geschäftsfelder (Marktnischen) der Zukunft und Position des Unternehmens im Wettbewerbsvergleich
- Branchenanalyse (z.B. nach Porter oder STEP-Analyse) zur Feststellung der Stärken und Schwächen sowie des Konkurrenzverhaltens im Markt
- Analyse, on eigene Stärken Eintrittsbarrieren für Wettbewerber darstellen (Alleinstellungsmerkmale)
- Bewertung der Verhandlungsstärke des Unternehmens gegenüber Kunden und Lieferanten (auch im Vergleich zum Wettbewerb)
- Vergleich der eigenen Unternehmensgröße gegenüber dem Wettbewerb
- Identifizierung der relevanten Stakeholder und KOLs (Meinungsführer, Influencer)
- Analyse der Kundenbedürfnisse:
- Primäre Marktforschung (Befragung, Beobachtung, Tests)
- Sekundäre Marktforschung (existierende Daten aus internen oder externen Quellen, z.B. Erfahrung der Mitarbeiter oder Branchen-Informationen)
- Personalanalyse:
- Vergleich des aktuellen Personals mit den Anforderungen
- Analyse der allgemeinen Personalsituation (intern sowie Arbeitsmarkt)
- Ermittlung von Möglichkeiten der Mitarbeiterfortbildung und zur Reduzierung von Fluktuation
- Analyse der Organisationsstruktur und -kultur im Vergleich mit Mitbewerbern:
- Marktorientiert (z.B. Vergleiche von Qualität, Preisen, Image)
- Unternehmensorientiert (Flexibilität am Markt, Innovationskraft, Hierarchieebenen, Prozesse der Entscheidungsfindung)
- Produktlebenszyklus-Analyse:
- Produkt- und Programmpolitik (Vergleich der Stufen auf denen sich die eigenen Produkte im Vergleich zum Wettbewerb befinden)
- Anforderungen an die Organisationsbereiche definieren und analysieren, ob die organisatorischen Einheiten entsprechend ihrer Anforderungen korrekt aufgestellt sind
- Ressourcenanalyse:
- Ermittlung, ob die zur Erstellung der Leistung notwendigen Ressourcen problemlos beschafft werden können (Lieferketten)
- Analyse, ob der Kundennutzen erkennbar firmenspezifisch und nicht einfach nachzuahmen befriedigt werden kann
- Abschätzung, ob die Möglichkeit einer Transferierbarkeit der Leistungserstellung auf andere Produkte in neuen Märkten existiert
2. Zieldefinition
Weiß das Unternehmen dann, in welcher Markt- und Wettbewerbssituation es sich befindet und welche eigenen Stärken und Baustellen es besitzt, werden die relevanten Geschäftsfelder definiert, also welche Produkte/Dienstleistungen man wo vermarkten möchte. Da es in der Regel mehrere Geschäftsfelder und Produkte bedienen möchte, ist hier darauf zu achten, wo die größten Erfolgspotentiale existieren (z.B. auf Basis der SWOT-Analyse).
Auch sollten hierbei in den meisten Fällen die Geschäftsfelder nicht separat voneinander betrachtet werden, sondern immer in Kombination miteinander, um Optimierungspotentiale (Synergieeffekte) voll ausschöpfen zu können. Aus der Betrachtung der Erfolgspotenziale leiten sich dann die jeweiligen Geschäftsfeldstrategien ab (z.B. investieren, ausbauen, einstellen).
Jedes Geschäftsfeld erhält dann eine individuell zugeschnittene Wettbewerbsstrategie, die langfristige Wettbewerbsvorteile sicherstellen soll. Porter unterscheidet hierbei folgende Wettbewerbsstrategien:
- Kostenführerschaft (bei Kosten- und Wettbewerbsvorteilen auf dem Gesamtmarkt)
- Differenzierung (bei starken Alleinstellungsmerkmalen auf dem Gesamtmarkt)
- Fokussierung und Differenzierung (bei starken Alleinstellungsmerkmalen, jedoch geringen Wettbewerbsvorteilen im Gesamtmarkt)
- Fokussierung und Kostenführerschaft (bei geringen Wettbewerbsvorteilen jedoch Kostenvorteilen in Teilmärkten
Die Inhalte dieser Ziele sind u.a.:
- Marktökonomisch (Umsatz, Deckungsbeitrag, Marktanteil)
- Marktpsychologisch (Bekanntheitsgrad, Kundenzufriedenheitsgrad, Image, Qualitätswahrnehmung).
Aber Vorsicht: Da die meisten KPI im Vertrieb vergangenheitsbezogen sind, zeigt die Praxis, dass hier das Marketing-Controlling andere Informationen betrachtet, als es die Strategieplanung benötigt. Marketing-Strategen benötigen auch Frühindikatoren, um Problemfelder zeitnah zu erkennen und bei Bedarf möglichst rasch handeln zu können. Frühindikatoren können politische/gesetzliche Veränderungen sein, Studien zu veränderten Konsumentenpräferenzen, Kundenfeedback (v.a. bei starkem Anstieg bei bestimmten Produkten), Anzahl der Kundentermine pro Verkäufer, oder Veränderungen in der Angebotserfolgsquote.
Auf Basis von Zielwerten und relevanten Indikatoren (KPI) leiten sich dann im Anschluss die entsprechenden operativen Maßnahmen und deren Marketing-Budgets ab.
3. Implementierung der Strategie und Durchführung der operativen Maßnahmen
In diesem Abschnitt übernimmt das operative Marketing und berichtet an die Marketing-Strategie in regelmäßigen Abständen die Umsetzung der Maßnahmen, den Stand des Budgets und den Grad der Zielerreichung. Das strategische Marketing übernimmt die Überwachungsfunktion und greift nur ein, wenn unvorhergesehene Ereignisse eintreten oder die Werte einen gewissen Regelkorridor verlassen.
Generell sollten folgende Kennzahlen mindestens quartalsweise erhoben werden, am besten monatlich:
- Aktivitäten
- Anzahl unterschiedlicher Kundenkontakte pro Verkäufer
- Anzahl Kontakte pro Kunde bis Vertragsabschluss oder Ende der Verhandlung
- Angebotserfolgsquote (Verhältnis von Angeboten zu Aufträgen), Leads, Konversionsrate
- Anzahl neu gewonnener Kunden
- Ergebnisse
- Wert der abgeschlossenen Aufträge
- Durchschnittlicher Wert der abgeschlossenen Aufträge
- Wert der noch in Verhandlung befindlichen (offenen) Aufträge
- Anzahl der Kunden, die nicht abgeschlossen haben
- Erhebung der Gründe, weshalb nicht abgeschlossen wurde
- Deckungsbeitrag pro Kunde und pro Auftrag
- Deckungsbeitrag pro Produkt
Diese Zahlen unterstützen die Auswertung der Marketing-Strategie und dienen als Frühindikatoren, um Fehlentwicklungen rechtzeitig zu identifizieren. Es können aber auch kundenspezifische Kennzahlen entwickelt werden, die bei Großkunden bzw. regelmäßigen Bestellern angewandt werden.
4. Erfolgskontrolle der Strategie und Anpassung der Zieldefinitionen
Keine Marketing-Strategie wird ohne Erfolgskontrolle funktionieren. Die in Punkt 1 gefassten Analysen und Bewertungen gilt es daher nach gegebener Zeit (Projektende oder zu definierten Zeitabschnitten) zu wiederholen. Die in Punkt 2 definierten Ziele sind zu quantifizieren und ein Soll-Ist-Vergleich durchzuführen.
Zusätzlich kann man relevante Fragepunkte abarbeiten, wie z.B.:
- Welche der gesteckten Ziele wurden erreicht, übertroffen oder verfehlt?
- Welche Werte wurden für die einzelnen Prozessschritte definiert und welche Resultate liegen vor?
- Sind zwischen den Werten der verschiedenen Geschäftsbereiche Parallelen zu erkennen (z.B. durch äußere Einflüsse oder Management-Entscheidungen)?
- Welche internen und externen Elemente (Mitarbeiter, Stakeholder, etc.) waren relevant zur Erreichung der vorgegebenen Ziele?
- Wo lagen die erfolgskritischen Aktivitäten und wie wurden sie angegangen?
- Wie effizient arbeiteten die betroffenen Bereiche und Akteure in den jeweiligen Prozessen?
- Wie ist der generelle Grad der Zielerreichung?
- Wie und in welchen Abständen sollten in Zukunft die Indikatoren gemessen und ausgewertet werden?
Mindestens genauso wichtig wie die Analyse und das Reporting des Erfolgs der Marketing-Strategie ist ihre Anpassung und Optimierung für die Zukunft. Hierbei sind Fragen zu stellen wie:
- Waren die Ziele richtig gesteckt oder zu stark/wenig ambitioniert?
- Waren die Ziele messbar, spezifisch und terminlich realistisch formuliert?
- Fehlten Informationen oder waren Informationen redundant?
- Wurden alle relevanten internen und externen Informationsquellen integriert?
- Muss eine Gewichtung bei vorgenommen werden, bzw. war die Gewichtung korrekt?
- Wie lief die Zusammenarbeit der Geschäftsfelder mit der Strategie-Abteilung und untereinander?
- Was könnte nach Meinung der Beteiligten schneller und besser gemacht werden?
- Welche Ziele sollen für die Zukunft erhalten bleiben, welche neu formuliert werden?
- Welcher Zeithorizont soll für die nächste Analyse definiert werden?
Dies sind die Basis-Abläufe im strategischen Marketing, die jedoch je nach Situation des Unternehmens, Marktlage und anderen Einflüssen angepasst werden müssen. Wer diese Arbeit für „trockener“ und weniger kreativ als operatives Marketing erachtet hat, ändert vielleicht seine Sichtweise ein wenig. Strategisches Marketing ist definitiv eine spannende und lohnende Aufgabe.