Wie Meinungs-Netzwerke unsere Freiheit gefährden
Zum „Deutschen Schicksalstag“ hatte ich die Möglichkeit nach Berlin zu fliegen und an einer bundesweiten Arbeitsgruppe der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU mitzuarbeiten. Thema war mitunter, wie es gelingen kann, junge Menschen für Politik und politisches Engagement zu motivieren, um der Entwicklung sinkender Wahlbeteiligungen entgegenzuwirken. Dass mich jedoch gerade am Brandenburger Tor ein aktuelles Ereignis auf eine schwelende politische Problematik stoßen würde, hätte ich nie für möglich gehalten.
Dass der beste Schutz vor Fallen der ist, die Tricks der Jäger zu kennen, das ist allgemein bekannt. Das gilt für Sekten, die mit fingierten Persönlichkeitstests versuchen Gutgläubige an sich zu binden. Das gilt auch für betrügerische Verkäufer, die den angeborenen Sammel- und Spartrieb im Menschen ausnutzen möchten um minderwertige Ware zu verkaufen. Und das gilt ganz besonders für politische Parteien und Vereinigungen, die mit rhetorischen Tricks versuchen, Gutgläubige auf ihre Seite zu ziehen (siehe hierzu meine Untersuchung der Sprache der Grünen – Vox Viridis). Ich möchte mich heute der letzteren Gruppe widmen.
Haben früher extreme Gruppierungen mit hetzerischen Plakaten mit angstmachenden Flugblättern versucht Menschen an sich zu binden, so läuft dieser Vorgang heutzutage viel subtiler ab. Dank neuer Technologien wie zum Beispiel Social Media Netzwerken gelingt es Randgruppen und Verführern immer häufiger, Gutgläubige an sich zu binden. Und das sowohl am rechten als auch am linken Rand der Gesellschaft – hier sind sich die politischen Erzfeinde erstaunlich ähnlich.
Der Ablauf dieser Aktionen folgt dabei stets den folgenden Schritten:
1. Schritt – Das Ereignis bzw. der Anlass
Einen Grund zu finden, politische Meinungsbildung zu betreiben, fällt Politikprofis grundsätzlich nicht schwer. Dies kann ein Gesetzesentwurf der Regierung sein, die Schließung eines Krankenhauses, eine Demonstration von politischen Flüchtlingen oder ein lokales Bauprojekt. Es muss keine große politische oder soziale Angelegenheit sein, es genügt, wenn sich mit ein wenig rhetorischem Geschick, die Beteiligten in Gut und Böse aufteilen lassen und man Stimmung für die eigene Sache machen kann.
Beispiele hierfür sind:
Stuttgart 21 – Fünfzehn Jahre lang plante man in der baden-württembergischen Landeshauptstadt einen neuen Bahnhof. Als dann 2011 endlich die Bagger anrollten um mit den Arbeiten zu beginnen, formierte sich – angetrieben von Bürgerinitiativen und der Partei „Die Grünen“ – massiver Widerstand vor der Baustelle.
Refugee-Camp, Berlin – Politisch Verfolgte sind in der Bundesrepublik Deutschland jederzeit willkommen (sicher basiert auf Erfahrungen aus der schrecklichen Zeit Mitte des 20. Jahrhunderts). Nun haben sich einige jedoch dazu entschlossen, gegen die herrschenden Asyl-Bedingungen in Deutschland zu demonstrieren. Medial bestens begleitet von politischen Interessengruppen und Vereinigungen.
2. Schritt – Die Vermarktung
Die gefundenen Anlässe werden – vor allem wenn sie in der Öffentlichkeit kaum Beachtung finden – zu Belangen nationalen Interesses hochstilisiert. Zudem ist es für den Erfolg der Sache unbedingt wichtig, Sachthemen zu emotionalisieren und das bereits angesprochene Gut und Böse unermüdlich zu betonen – kein Bürger würde wutentbrannt auf die Straße gehen, ginge es ihm nicht um eine zentrale Herzensangelegenheit. Dieses Aufbauschen von Themen geschieht durch entsprechende Pressemitteilungen, Lobbyismus bei entsprechenden Multiplikatoren und Thematisierung in den ausgezeichnet funktionierenden Netzwerken der jeweiligen Gruppierungen.
In der Öffentlichkeit entsteht somit das erwünschte Bild, eine starke Gruppe von Bürgern hätte sich eines schon seit langer Zeit brennenden Themas angenommen und fordere nun Verbesserungen oder Änderungen von den Reichen und Mächtigen.
Und ganz perfide: Tummeln sich Andersdenkende in den Netzwerken und äußern sich diese anders zu einem bestimmten Stichwort als es eine Gruppe beabsichtigt, werden sofort mehrere verfügbare Teilnehmer der Gruppe mobilisiert und ein „Shitstorm“ auf die betreffende Person losgetreten. Das bedeutet, dass sich die Teilnehmer gemeinsam auf den Andersdenkenden stürzen und versuchen, ihn mit massiven Beleidigungen, Angriffen und Einschüchterungsversuchen zum Schweigen zu bewegen. Hier braucht man entweder ein dickes Fell oder ein eigenes Netzwerk, über das jedoch nicht organisierte Individuen kaum verfügen werden. Somit heißt es: Entweder schweigen oder angefeindet werden. Wozu sich die Mehrheit der Menschen entschließt dürfte man sich denken können und dass dies auch nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun hat wohl ebenso.
Konkretisiert auf die obigen Beispiele:
Stuttgart 21 – Als erste Baumaßnahmen absehbar waren, riefen die beteiligten Netzwerke alle Teilnehmer zu Protesten auf und wiederholten stupide ihre immer gleichen Vorwürfe, das Volk wäre nicht informiert worden oder habe nie Mitspracherecht gehabt. Dass sich das Volk über zehn Jahre nie um das Thema bemüht hatte (was die wenigen Einsprüche und die niedrigen Besucherzahlen im Informationszentrum im Bahnhofsturm belegen), ging im allgemeinen politischen Gezanke unter.
Refugee-Camp, Berlin – Das seit langer Zeit vor dem Brandenburger Tor errichtete Flüchtlingscamp erreichte bundesweit Bekanntheit, als sich mehrere Vereinigungen und Gruppierungen dessen annahmen. Die Wünsche einiger politisch Verfolgter wurden medial zu einem zentralen politischen Problem aufgebaut. Dabei gelang es, die Ursache, also schutzsuchende Ausländer, als Schutzschild gegen jegliche Fragen und Kritik aufzubauen und zu (miss-)brauchen.
3. Schritt – Die Meinungsträger
Die Meinungsträger sind zunächst immer dieselben Personenkreise: Parteifunktionäre, PR-Strategen, Zankhälse und besonders engagierte Mitglieder von Vereinigungen. Sie sähen und lancieren die selbst verfassten Meldungen, verstärken die medialen Auftritte und entfachen einen Flächenbrand aus dem selbst gelegten Feuer. Hierdurch werden immer mehr Menschen auf die jeweilige Angelegenheit aufmerksam, formen sich ihr Bild aufgrund der nicht neutralen Informationen und werden dann selbst aktiv – oft in einer Art und Weise, in der sie sich bei Sachthemen nie derart verhalten hätten.
Richtig. Informationen zu verbreiten, die auf eigenen Ansichten basieren, ist durch das Grundgesetz geschützt und auch von mir absolut gewollt. Dies ist ja grundsätzlich auch noch nicht gefährlich. Jede Partei wirbt und kämpft für ihre Sache und nutzt Netzwerke, um Menschen für ihre Sache zu gewinnen und zu mobilisieren. Gefährlich wird es aber dann, wenn Andersdenkende als ein zu bekämpfendes Übel hingestellt, persönlich diffamiert oder gar gesellschaftlich bloßgestellt werden sollen. Hierzu werden Aussagen bewusst aus dem Zusammenhang gerissen, Diffamierungen und Spitznamen erfunden oder auch ganze Werbeabteilungen beauftragt, Kampagnen gegen Personen oder Organisationen zu führen. Dies hat mit Meinungsbildung nichts mehr zu tun, sondern dient alleine der Herabsetzung Andersdenkender.
Diese Form der Kommunikation nimmt in den letzten Jahren immer weiter zu und führt leider dazu, dass eine freie und ungehinderte Meinungsäußerung nicht mehr möglich ist. Wer auch immer sich auf seine Grundrechte beruft, der wird sich bald gewiss, dass nicht das Grundgesetz darüber entscheidet, wer seine Meinung frei sagen darf, sondern diejenigen Parteien und Vereinigungen, die die besten Werbe- und PR-Agenturen besitzen.
Wieder konkreter dargelegt anhand der oben genannten Beispiele:
Stuttgart 21 – Wer auch immer sich öffentlich für das Bauprojekt ausgesprochen hatte wurde auf das Allerschärfste diffamiert (die Bezeichnung „Nazi“ wurde zum Synonym für S21-Befürworter – sogar für S21 eingestellte Pfarrer wurden so tituliert), mit allen Gewalten bekämpft und Pro-S21 Plakate und Fahrzeuge mit S21-Aufklebern beschädigt.
Refugee-Camp, Berlin – er wagte, Kritik am Camp zu äußern wurde mit exakt derselben PR-Maschinerie überzogen wie Befürworter von S21. Nazi-Vorwürfe und weitere persönliche Beleidigungen waren hier nur der Anfang. Wer sich zum Beispiel über das WLAN-Netz im Camp wunderte und nach Studium der Forderungen der Demonstranten fragte: „Wenn es ihnen hier nicht gefällt, warum bleiben sie dann hier?“, wurde mit nahezu schon gewalttätigen Ausdrücken und diffamierenden Handlungen quittiert. Ein kommunikativer Austausch mit den Demonstranten war aufgrund dieses Einsatzes ihrer „Beschützer“ unmöglich geworden.
Fazit
Nicht erst durch die Vernetzung der Terrorismusorganisation „al-Qaida“ um die Anschläge in New York wissen wir, welche Gefahren für Freiheit und Grundrechte von organisierten Netzwerken ausgehen. Bei Stuttgart 21 verabredeten sich Gegner zu gemeinsamen Aktionen und trainierten, wie man sich von der Polizei wegtragen lassen müsse um größtmöglichen Zeitverlust anzurichten. Ebenfalls wurden Informationen ausgetauscht, wie man handeln müsse und welche Stellen man besetzen müsse, um am besten in die Hauptnachrichten zu kommen.
Und auch noch ein persönlicher Hinweis zum Thema Refugee-Camp: Es handelt sich bei den Demonstranten um Bürger anderer Länder, die aus ihrer Heimat geflogen sind, weil sie aufgrund ihrer Rasse oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt wurden. Sieht man nun die Handlungen einiger Engagierter, dann darf man getrost fragen, ob die politisch Verfolgten ein solches Verhalten überhaupt gutheißen würden. Ich glaube nicht, dass ein Mensch, der sich aufgrund seiner Meinung verfolgt sieht, sich durch solche verteidigen lassen möchte, die ebenfalls die freie Meinungsäußerung anderer attackieren.
Somit bleibt die Frage, wie man diesen Netzwerken Einhalt gebieten kann. Einfach nur einen Stecker ziehen kann man nicht und Netzwerke verbieten verstößt sowohl gegen den das Grundgesetz als auch die Forderung nach freier Entfaltung der Meinungsfreiheit. Aber wie erreicht man nun, dass diese falsche Meinungsmache und diffamierende Unart derart um sich greift?
Mein Lösungsvorschlag: Klassische Bildung!
Wenn es einem Land gelingt, seine Einwohner zu mündigen und gebildeten Menschen zu machen, dann wird extremen und falschen Tendenzen jeglicher Art deren fruchtbarer Boden entzogen. Wenn die Menschen lernen, wie man eine Sekte, einen Falschspieler, einen Verkäufer mit betrügerischen Absichten oder einen politischen Verführer (egal welcher politischen Couleur) erkennt, werden diese keine Chance mehr haben, andere zum Spielball ihrer Interessen zu machen.
Kommunikation, Information und Verständnis sind somit die Schlüssel, um einerseits die Vorurteile von Netzwerken ausschöpfen zu können und andererseits nicht ihr ferngesteuertes Opfer zu werden. Denn wer einmal emotionalisiert ist, wer einmal in einem Netz gefangen ist, für den wird es schwer, sich dieser Entwicklung wieder zu entziehen. Das beste Beispiel hierfür gibt Stuttgart 21, in dessen Rahmen die emotional Verführten selbst nach einer demokratisch getroffenen Entscheidung die Meinung der Mehrheit noch nicht anerkennen können, da sie den getroffenen Kompromiss als Niederlage empfinden. Dem muss man im Vorfeld entgegenwirken, denn hinterher ist es zu spät.
Lassen Sie uns nicht dieser Entwicklung hinterherrennen. Lassen Sie uns nicht zum Opfer von politischen und falschen Spielchen werden. Lassen Sie uns gemeinsam und parteiübergreifend die Gefahren erkennen und auf sie einwirken – denn nichts Geringeres als unsere Freiheit steht auf dem Spiel.
(Veröffentlicht als Gast-Blog am 15. November 2012)